Vergangenen Sonntag hat unser Kandidat Mitja Stachowiak mit 644 Stimmen 0,34% im Wahlkreis Darmstadt geholt. Das ist für einen Einzelbewerber ein .. sagen wir mal normales Ergebnis. Ein wie auch immer gearteter Effekt durch die Brisanz des Themas oder die Aktivitäten der Klimabewegung war weder hier noch bei den anderen Kandidierenden der Klimalisten erkennbar. Auch die mittelmäßig für Klimaschutz engagierten Parteien Grüne und Linke konnten in Summe kaum dazu gewinnen. Während Prognosen lange vor der Wahl immer wieder erfreuliche Ergebnisse andeuten, machen die Menschen, wenn es soweit ist, ihr Kreuz eben doch wieder in ihrem gewohnten Lager. Das heißt CDU und SPD bei Älteren und FDP und Grüne bei Jüngeren.
Die Grünen machen etwa die Klimapolitik der SPD von vor 20 Jahren, die wenn man sie seit der Jahrtausendwende beibehalten hätte, vielleicht sogar ausreichend wäre, aber nach 16 Jahren CDU-Versagens deutlich zu langsam ist. Die SPD hat sich nach diversen Krokos weitgehend an die radikal reaktionäre Politik der CDU angenähert und lässt in einer möglichen Regierung ebenfalls keine Besserung der Situation erwarten.
Die Klimalisten hatten als neue, kleine Bewegung kaum eine Chance, sich inhaltlich auf der politischen Bühne zu präsentieren. Wir wurden zu fast keinen Podiumsdiskussionen eingeladen, erhielten keine Unterstützung aus der Klimabewegung und die wenigen Zeitungsartikel implizierten immer wieder, dass es sowieso aussichtslos sei so in den Bundestag zu kommen, was dann auch zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeihung wurde, da sich potentielle Wähler*innen so gar nicht erst die Zeit genommen haben, unser Programm zu lesen.
Da nützt es auch nicht, dass wir alle Wahlprüfsteine von Initiativen in der Region beantwortet haben, während solche inhaltlichen Auseinandersetzungen zur demokratischen Meinungsfindung dem
nun gewählten Direktkandidaten ganz offensiv egal waren.
Grüne (und auch Linke) haben die Chance verspielt, sich über Direktmandate der Klimalisten ohne Verlust an eigenen Sitzen gegenüber den fossilen Parteien einen Verbündeten im Bundestag zu sichern, sondern sehr nachgiebig um die für die Partei nutzlosen Erststimmen geworben.
53696 Wähler*innen sind auf die Erststimmenkampagnen von Grünen und Linken hereingefallen und haben ihre Erststimme verschwendet. Dahinter steht vermutlich der Irrglaube mit diesen
Stimmen die jeweilligen Parteien unterstützen zu können. Aber sehen wir uns mal an, was passiert wäre, wenn Daniela Wagner oder Firat Turgut-Wenzel das Direktmandat gewonnen hätten:
Tatsächlich hat die SPD in Hessen 15 Sitze erhalten, davon 14 gewonnene Direktmandate und kein Überhangmandat. Wenn Andreas Larem das Direktmandat nicht erhalten hätte, wäre die SPD
gemäß Zweitstimmen trotzdem bei ihren 15 Sitzen geblieben. Mit Platz 15 auf der Landesliste
Mit 9 Sitzen für die hessischen Grünen ist Awet Tesfaiesus aus dem Wahlkreis Werra-Meißner-Hersfeld-Rotenburg
Zu Gunsten von Herrn Wenzel hätte dann der Zweitplatzierte von Hessens linker Liste abtreten müssen: Ali Al-Dailami
Ein Linkes Direktmandat in Darmstadt war sowieso mehr eine Träumerei - und ja auch dass unser Kandidat Mitja Stachowiak die relative Mehrheit hätte erringen können war unter den gegebenen Umständen nicht zu erwarten, aber das hätte perspektivisch einen Unterschied machen können. Von den 50 Sitzen für Hessen hätte Mitja dann einen Abbekommen und die verbleibenden 49 wären unter den Parteien gemäß Zweitstimmen aufgeteilt worden.
Am knappsten Aufgerundet wurden bei dieser Wahl die Sitze der Grünen von 8,577 Sitzen gemäß Zweitstimmenanteil auf 9. Damit hätte auch Mitja leider Frau Tesfaiesus den Sitz geklaut, das ist in
diesem Fall dann aber Zufall. Die Wahrscheinlichkeit, dass unser Sitz den Grünen oder Linken fehlen würde läge gemäß Zweitstimmenanteil dieser Parteien bei 21,8%, dass es eine der fossilen
Parteien getroffen hätte, bei 78,2%. Hätte unser Einzelbewerber aus Kassel (Stephan Mascher) ebenfalls das Mandat geholt, wäre als nächstes ein Sitz für die SPD entfallen, also wieder Martin Rabanus.
Hätten sich drei Kandidierende für die Klimaliste aufgestellt, hätte es als nächstes die AfDe mit Albrecht Glaser erwischt; ein bekennender Klimawandelleugner, der während der
Finanzkrise für das politische Establishment in Frankfurt Steuergelder verspekuliert hatte.
Klimaliste | Restliche Parteisitze | CDU | SPD | AfDe | FDP | Grüne | Linke | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Bundestagssitze in Hessen gerundet | 0 | 12 | 15 | 5 | 7 | 9 | 2 | |
Sitze gemäß Rechnung | 0 | 50 | 12,37 | 14,984 | 4,777 | 6,949 | 8,578 | 2,334 |
Ergebnis mit 1x Klimaliste | 1 | 49 | 12,130 | 14,684 | 4,682 | 6,810 | 8,406 | 2,288 |
Ergebnis mit 2x Klimaliste | 2 | 48 | 11,883 | 14,384 | 4,586 | 6,671 | 8,235 | 2,241 |
Ergebnis mit 3x Klimaliste | 3 | 47 | 11,635 | 14,085 | 4,491 | 6,532 | 8,063 | 2,194 |
3 Kandidierende für die Klimaliste? Unsere wenigen, aktiven Mitglieder hier waren zu ausgelastet, als dass wir als Klimaliste Darmstadt-Dieburg zwei Bewerber*innen hätten aufstellen können. Aber wir hatten im Vorfeld der Aufstellung verschiedene Personen aus der Klimabewegung zwecks Unterstützung angefragt. Mit einer weiteren, engagierten Person, wäre Mitja dann gerne auch im Wahlkreis Odenwald angetreten und hätte vor seiner eigenen Haustür Wahlkampf gemacht.
Aber es sollte anders kommen. Jegliche Unterstützung aus den Kreisen des Global-Strike-Bündnisses in Darmstadt blieb aus. Stattdessen wurden dann unsere Plakate voll gestickert oder überklebt. Generell sollten bei Demonstrationen von Fridays for Future Parteien nicht auftrteten und am besten auch nicht ihre Fahren tragen. Nicht mal am Ende der Demo wie am Anfang von FFF üblich.
Ohne Unterstützung durch die Bewegung blieb es relativ aussichtslos, politisch wahrgenommen zu werden. Während die AfDe für ausschweifende Reden bei den Pegida-Demos heute zweistellige Prozente holt, ist der einzige Effekt der Fridays for Future, dass Stimmen zwischen Linken und Grünen hin- und her geschaufelt werden.
Das ist von der Bewegung - zumindest in Darmstadt - aber erwünscht. Schon vor Monaten kündigten Redner von Fridays for Future Darmstadt an, dass die Bundestagswahl eine Enttäuschung werden würde und dass es sowieso keine Partei gäbe, die ihren Forderungen in irgend einer Weise gerecht werde. Statt dann, wie wir, selbst politisch aktiv zu werden, beschränkte sich die Bewegung aber darauf, "Klimaschutz auf der Straße zu erkämpfen".
Statt etwa Auseinandersetungen mit der Frage, wo wie viel Windenergie oder PV gebaut werden soll, gibt es auf der Demo nur Kapitalismuskritik und außerparlamentarische Opposition.
Mit unserem im März gewonnenen Sitz im Kreistag von Darmstadt-Dieburg haben wir, anders als manch andere Klimaliste, das Glück, trotzdem aktiv einen kleinen Teil der Politik gestalten zu können. Auch wenn es mit dem Bundestag nicht geklappt hat und die Wahlergebnisse auch wenig Anlass zum Hoffen geben, versuchen wir weiter, alles herauszuholen, um den schnellsten und vielleicht auch stärksten Klimawandel seit es Menschen auf der Erde gibt, auszubremsen.
Mit der erwartbaren Politik der kommenden Bundesregierung und der weltweit ungünstigen Entwicklung werden wir bei der nächsten Wahl vermutlich für 1,7 oder 2 Grad kämpfen, die Energiewende wird dann keinen Cent billiger und die zu erichtenden Windkraft- und PV-Anlagen werden keinen Meter weniger kosten. Aber es wird bis dahin viel deutsches Geld an ausländische Ölkonzerne abgeflossen sein, es werden unumkehrbar jedes Jahr höhere Schäden durch den Klimawandel entstehen und wir verlieren die Garantie, diesen überhaupt noch stoppen zu können.
Trotzdem lohnt es sich, jedes zehntel Grad zu vermeiden. 644 Menschen in und um Darmstadt lassen sich noch mit Inhalten überzeugen. Mindestens 5 Wahler*innen haben unseren Kandidaten beim Flyern angesprochen und Fragen zum zuvor schon gelesenen Programm gestellt. Bei kaum 800 verteilten Flyern können wir davon ausgehen, das nur ein kleiner Teil unserer Wähler*innen unseren Kandidaten persönlich getroffen hat. Da sind 5, die ihn für die Inhalte des Programms wählen statt für öffentliches Prestige oder eine Flut an Plakaten und anderer Werbung, schon ein ganz ordentlicher Anteil.
Für diese Wenigen, die sich noch für Inhalte interessieren und bereit sind, die notwendigen Maßnahmen zu tragen, machen wir weiter.
Wir sagen Danke zu Allen, die uns gewählt haben und Allen, die uns wählen wollten, aber nicht konnten, weil sie nicht wahberechtigt sind oder in einem anderen Wahlkreis wohnen.